Interessantes zu Theoretischer Physik

Stringtheorie, Kosmos, Multiversum, Universum, Raumzeit, Weltall

Das Universum — ein heute allzu vieldeutiger Begriff

Wer heute populärwissenschaftliche Bücher über Kosmologie, Theoretische Physik oder gar Stringtheorie in die Hand nimmt, dem sollte bewusst sein, dass der Begriff » Universum « dort in unterschiedlichster Bedeutung benutzt wird — ohne dass der Autor auf diese Tatsache explizit hinweist.

Nicht selten tappt er sogar selbst in die Falle, den Begriff derart falsch zu benutzen, dass seine Argumen­tation angreifbar, wenn nicht sogar falsch wird.

Typisches Beispiel hierfür ist die immer wieder anzutreffende Aussage, dass unser Universum kurz nach dem Urknall nur die Größe eines Staubkorns oder — wie etwa Michio Kaku schreibt — höchstens die eines Elektrons gehabt hätte.

Solch eine Aussage ist absoluter Unsinn, wenn nicht vorher klar gemacht wurde, dass sich der Begriff Universum hierbei auf nur ein kleinen Teil des Weltalls bezieht: auf den nämlich, den der Mensch — im Prinzip wenigstens — gerade noch beobachten kann: Es ist dies

Dass ständig ganze Galaxien mit mehr als Lichtgeschwindigkeit über unseren Beobachtungshorizont hin­aus­wandern, hat man erst 1998 erkannt. Und diese Geschwindigkeit ist schon seit rund 7 Mrd. Jahren auch noch im Wachsen begriffen. Wenn das so bleibt, so hat man errechnet, werden sich in etwa 100 Mrd. Jahren höchstens noch 50 Galaxien — die unmittelbaren Nachbarn der Milchstraße — im Inneren unseres Beobachtungshorizonts befinden. [Zum Vergleich: Heute noch erreicht uns Licht von grob 100 Milliarden Galaxien.]

Unser Universum, im engsten Sinne des Wortes, wird dann gerade noch aus der sog. Lokalen Gruppe bestehen, und für Beobachter, die dann leben, wird absolut nichts mehr darauf hindeuten, dass das Weltall viele Milliarden Mal größer ist.

Wir sehen also: Es macht einen ganz gewaltigen Unterschied, ob wir unter unserem Universum nur den uns bewusst werdenden Teil des Weltalls verstehen oder stattdessen auch den Raum, der Galaxien ent­hält, von denen uns niemals Licht erreicht hat — und wohl auch nie wird erreichen können. Wie groß das (gesamte) Weltall ist, können wir somit gar nicht feststellen, und so kann auch nicht behauptet werden, es sei endlich. Wäre es aber unendlich groß, könnte es auch direkt nach dem Urknall nicht endliche Größe gehabt haben.

Kurz: Die Urknalltheorie kann nur etwas über die Dichte des Universums unmittelbar nach dem Urknall aussagen (und dann daraus ableiten, dass der Teil des Weltalls, der sich uns heute durch sein kurz nach dem Urknall abgestrahltes Licht gerade noch bemerkbar machen kann, damals kaum größer als ein Elektron gewesen sein kann).

Bis noch vor wenigen Jahrzehnten waren diese beiden Bedeutungen des Begriffs Universum die einzig sinnvollen (sind aber auch damals nicht wirklich auseinander gehalten worden). Und dann kam die String­theorie. Sie zeigt, dass auch der Begriff » das gesamte Weltall « auf recht unterschiedliche Weise ver­standen werden kann:

Man spricht heute vom » Multiversum « und davon, dass die Stringtheorie uns bis zu 10500 Universen beschreiben könne, die alle deutlich voneinander verschiedenen physikalischen Gesetzen gehorchen wür­den. Eines davon wäre das, in dem wir leben: unser Weltall sozusagen. Wie aber muss man es sich dann den anderen Universen gegenüber abgegrenzt denken?

Ein sehr naheliegende Möglichkeit hierfür findet sich diskutiert auf der Seite Warum wir auf jeden Fall in einem Multiversum leben.

Eine zweite Möglichkeit wäre Lee Smolins These (die aus seiner Theorie der Quantengravitation kommt).

Aber auch das sog. Blasenuniversum, welches uns stringtheoretische Überlegungen nahelegen, ist eine noch keineswegs auszuschließende Möglichkeit. Michio Kuka (ein Stringtheoretiker) erklärt sie so:

    Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie kennt nur die Gravitationskraft, wohingegen die Quanten­theorie eben diese Kraft einfach ignoriert. Kein Wunder also, dass diese beiden — für uns derzeit wichtigsten Theorien — einander widersprechen, wo es um Objekte geht, die weder extrem groß, noch extrem klein sind.

    Es muss deswegen eine Theorie gesucht werden, die alle 4 Grundkräfte der Natur berücksichtigt.

    Kandidat hierfür ist die Stringtheorie. Sie modelliert Elementarteilchen als Schwingungszustände sog. Strings, allgemeiner: sog. Branen (worunter man sich extrem kleine Fäden oder membran­artige Flächen und Räume vorzustellen hat).

    Nun macht die Stringtheorie aber nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die Raumzeit 10 statt wie wir glauben 4 (= 3+1) Dimensionen hat. Versucht man nämlich, eine Stringtheorie zu konstru­ieren, die davon ausgeht, dass die Raumzeit weniger als 10 Dimensionen hat, bricht ihre mathe­matische Grundlage zusammen (so sagt Kaku, ein Fachmann für solche Fragen).

    Es kommt deswegen den Physikern der Verdacht, dass die Elemente eines Multiversums — die ja ganze Universen sein sollen — letztlich Branen im Sinne der Stringtheorie sein könnten. Da es Branen von jeweils bis zu 9 Dimensionen gibt, könnte unser Universum — das Weltall also, in dem wir existieren, — gut eine der 4-dimensionalen Branen sein.

    Die Tatsache, dass wir nicht mehr als 4 Dimensionen sehen, wäre dann keine Widerspruch mehr zur Tatsache, dass die Stringtheorie darauf besteht, der Kosmos hätte 10 Dimensionen.

    Das Multiversum als Ganzes würde dann an einen Berg von Seifenschaum erinnern, in dem die Ober­fläche jeder Seifenblase für eine ganze Welt — ein Universum — steht. Und diese Wel­ten müss­ten dann auch keineswegs alle von gleicher Dimension sein (!).

    Zudem könnten die überschüssigen Gravitationskräfte, die man im All beobachtet und heute auf eine dort noch unentdeckte Form von Materie zurückführt — sog. Dunkle Materie — von Galaxien ausgehen, die sich in einer zur unseren Brane benachbarten befinden. Die Gravi­tationskraft nämlich wirkt auch der Stringtheorie nach quer über alle Strings und Branen hinweg in der gesamtem 11-dimensionalen "Raumzeit" der M-Theorie.

    Quelle: M. Kaku: Die Physik des Unmöglichen, Rowohlt 2008, Seite 297-305

Smolins These scheint einem Blasenuniversum nicht zu widersprechen — ihr Schwerpunkt liegt ja eher darin, darüber nachzudenken, wie einzelne Blasen entstehen, sich ausdehnen, schrumpfen, platzen oder selbst wieder weitere Blasen (Kind-Universen) hervorbringen können.


Einige Physiker in Princeton glauben, unser Universum könnte entstanden sein im Zuge einer Kollision zweier Blasenuniversen. Die Schockwellen des Zusammenstoßes hätten — so vermuten sie — dann unser Universum geschaffen. Untersucht man Konsequenzen dieser seltsamen Theorie, so stellt man fest, dass sie erstaunlich gut verträglich sind mit den Ergebnissen des WMAP-Satelliten, der 2001 gestartet wurde und dann bis 2010 Beobachtungsdaten lieferte. Man nennt ihre Theorie die Urschwall­theorie oder auch the Ekpyrotic Universe bzw. Urklatsch (statt Urknall), da jene Forscher ein Dreier­gespann von Branen konstruieren konnten, die — wie nebeineinander aufgehängte, vom Wind bewegte Bettlaken — regelmäßig aneinanderklatschen und so in jeder dieser Branen einen neuen "Urknall" bewirken. Siehe auch: [more], [2001], [2012], [BC].

Weniger abenteuerlich, da durch Quantenfluktuation begründbar, ist das Weltenmodell der Quanten­kosmologie. Es ist das bisher einzige, welches Argumente dafür kennt, dass unser Universum vielleicht doch endlich sein könnte.

    Mir persönlich erscheint es am ehesten überzeugend als die Theorie des ewigen Universums von Linde und Vilenkin (etwa 1980). Stringtheorie stützt und präzisiert eben diesen Ansatz ganz entschieden.

    Hawking und Hartle haben versucht, Vilenkins Ansatz mit der Theorie Schwarzer Löcher in Verbindung zu bringen, sind heute aber nicht mehr davon überzeugt, dass Baby Universes aus solchen Löchern hervorgehen. Siehe [BU], dann aber auch [Hawkings draw back]: "There is no baby universe branching off as I once thought," Hawking admitted in July 2004.

Max Tegmark (vom MIT) glaubt, dass in 50 Jahren die Existenz von Parallel-Universen nicht weniger um­stritten sein wird als es die Existenz anderer Galaxien zu Beginn des 20. Jahrhunderts war (man nannte sie damals » Welteninseln « und sah sie als Ausläufer der Milchstraße ganz so wie ja auch Inseln im Meer stets nur Ausläufer eines nahe liegenden Kontinents sind).



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