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Unser Bauchgefühl: Der oft wesentliche Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft

Ganz einfach: Unser Bauchgefühl erkennt mehr Dimensionen der Wirklichkeit als Wissenschaft sie erkennt und zu präzisieren versteht.

Wenn ich hier von Philosophie spreche, meine ich philosophisches Denken in dem Sinne, wie Karl Jaspers es charakterisiert hat: ein Denken, welches mit berücksichtigt, was der Urgrund unserer Psyche uns nahezulegen versucht (im Volksmund: unser Bauchgefühl).

Unter Dimensionen versteht man Freiheitsgrade, die unabhängig von einander berücksichtigt und genutzt werden können (mehr dazu auf Seite Was Physik und Mathematik unter den Dimensionen eines Raumes verstehen).

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Tatsache ist, dass wir die Wirklichkeit gar nicht kennen: Selbst Physik — so hat Nils Bohr immer wieder betont — kann nicht über Wirklichkeit sprechen, sondern nur über der Menschen Vorstellungen, wie Wirklichkeit sein könnte (gegeben wie unsere Sinne und physikalischen Messgeräte Signale der Wirklichkeit deuten).

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Definieren wir den Begriff unser Bauchgefühl als den Unterschied dessen, was Wissenschaft einerseits und gesunder Menschenverstand andererseits uns sagen, so zeigt sich, dass dieses Bauchgefühl nicht selten zu vernünftigeren Lösungen führt als Wissenschaft.

So richtig aufgegangen ist mir das wegen folgender Erfahrung:

Während der Zeit, in der ich als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Mathematik der TU München gearbeit habe, ist mir dort ein Ingenieur begegnet, der mich bat, ihm zu helfen ein umfangreiches System linearer Gleichungen zu lösen, da er selbst damit nicht klar komme.

Nun muss man wissen: Jedes solche Gleichungssystem lässt sich schreiben als Gleichung y = Ax , wo x und y Elemente eines n-dimensionalen Raumes sind und A eine Matrix mit n Zeilen und n Spalten. Als Mathematiker war mir klar: Hat die Determinante von A den Wert Null, kann das Gleichungssystem keine Lösung haben.

Im vorliegenden Fall war das so.

Erstaunlich war nun aber, dass jener Ingenieur mir einige Wochen später wieder begegnet ist und mir Freude strahlend sagte, er hätte sein Gleichungssystem nun lösen können.

Was weder mir noch ihm in dem Moment klar war: Er hat einfach die ingenieur-wissenschaftlich zu lösende Aufgabe ein klein wenig modifiziert mit dem Effekt, dass sich dann ein Gleichunmgssystem ergab, welches tatsächlich Lösungen hatte (wenn auch vieleicht numerisch recht instabile).

Kurz: Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sein ingenieurwissenschaftliches Problem lösbar sein müsse.

Dieses Bauchgefühl in Kombination mit einem guten Gefühl dafür, in welchem Umfang man das Problem abändern kann, mit dem Ziel
  • nicht nur eine Lösung zu bekommen,
  • sondern eine, die auch hinreichend stabil ist,
ist genau das, was gute und sehr gute Ingenieure auszeichnet

Theoretisch gesehen bedeutet das: Unser Bauchgefühl mit zu berücksichtigen kann uns zu Modellen der Wirklichkeit führen, die weniger — oder an anderer Stelle — Singularitäten haben als Modelle, welche das besser definierte, restriktivere Denken der Wissenschaft uns liefern kann.


Ich sehe das als sehr überzeugendes Beispiel dafür,
wie wertvoll es sein kann,
auch auf unser "Bauchgefühl" zu hören, d.h.

statt nur streng wissenschaftlich auch wirklich philosophisch zu denken
— mindestens dort, wo Wissenschaft zu versagen scheint —


Ursache hierfür scheint zu sein, dass Bauchgefühl — viel mehr als Wissenschaft — auch noch beliebig vages Wissen mit berücksichtigt.

Abstrakter ausgedrückt:


Selbst die besten unserer Modelle der Wirklichkeit
können Singularitäten haben aufgrund zu unvollständiger Prämissen.
 

 



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